Suche nach einem richtigen Yogi
Yoga, dieser uralte Weg zur Selbsterkenntnis und persönlicher Weiterentwicklung – was genau zeichnet ihn aus? Worauf kommt es beim Yoga wirklich an? Was sind die Kennzeichen einer gelingenden Yogapraxis? Wenn man Antworten auf Fragen wie diese will, begibt man sich am besten zum Ursprung, zu den Quellen. Kurz, man befragt, so gut es geht, die Originaltexte und sucht nach wirklichen Yogis.
Von diesen Fragen getrieben, machte ich mich Ende der Neunziger zu meiner ersten Reise in den Himalaya auf. Das Retreat, für das ich mich angemeldet hatte, sollte eine gute Tagesreise nördlich von Rishikesh stattfinden. Rishikesh, die unangefochtene Welthauptstadt des Yoga, Zentrum aller Yogainteressierten – echten, falschen und halbechten – liegt am Rand des großen Gebirges.
Wo die Suche nach den Quellen des Yoga zum Abenteuer wird
Ab hier wird die Straße abenteuerlich, auch heute noch. Und in den Neunzigern gab es praktisch kaum eine andere Möglichkeit als den öffentlichen Bus. In einem Indischen Bus zu reisen, ist schon Abenteuer genug, auch auf normalen Straßen. Aber acht Stunden kurvenreiche, holprige Pisten, oft ungeteert und knapp am Abgrund, werden früher oder später zur echten Herausforderung, nicht nur für Europäer. Immer wieder verschaffte sich ein Fahrgast durch die kleine Fensteröffnung, dem offensichtlich überforderten Magen Erleichterung.
Wie komme ich weiter?
Als ich dann am Abend die Endstation in der lokalen Kleinstadt erreichte, war es bereits dunkel. In einer deutschen Kleinstadt ist das ja kein Problem, aber in hier im Himalaya gab es keine Straßenlaternen und nur hier und dort eine spärliche Beleuchtung. Wie sollte ich da eine Fahrgelegenheit finden, die mich zu meinem Bestimmungsort bringen könnte? Ich wusste, dass ich irgendwie noch gute 10 KM weiter nördlich musste. Zu Fuß, mit Gepäck, in der Dunkelheit und in dieser Region – keine Option. Leichte Panik stieg in mir auf.
Irgendwie schaffte ich es, durch die Vermittlung mehrerer hilfsbereiten Menschen, einen Fahrer mit einem Jeep aufzutreiben. Dass der kein Wort Englisch sprach, schien mir in der Situation das geringste Problem. Meine Vermittler teilten dem Fahrer den Bestimmungsort mit und los ging‘s, Richtung Sivananda Ashram.
Wo geht’s zum Sivananda Ashram?
Wo wir hinfuhren, konnte ich kaum erkennen. Das lag nicht nur an der praktisch nicht vorhandenen Beleuchtung in den Dörfern, durch die wir kamen. Zusätzlich schaltete der Fahrer immer wieder seine Scheinwerfer auf Standlicht, wohl um die Batterie zu schonen!
Dann plötzlich hielt der Fahrer an, zeigte in die Dunkelheit und rief: Sivananda Ashram! Gleichzeitig streckte er mir seine Hand so entgegen, so dass klar war, die Reise ist zu Ende. Nun wollte er sein Geld. Ein gutes Stück von der Straße entfernt konnte ich ein paar spärliche Lichter erkennen, die offensichtlich zu Gebäuden gehörten. Aber auf mein Drängen, mich doch bitte bis dorthin zu fahren, ließ sich der Fahrer nicht ein. Ich gab klein bei, suchte die Taschenlampe und zog los. Die Panik war längst zurück.
Verloren in der Dunkelheit
Eines der Gebäude, das ich erreichte, schien durchaus die Ausmaße eines Ashrams zu besitzen, so wie ich ihn mit vorstellte. Doch es war umgeben von einer hohen Mauer, auf der sich im fahlen Schein der Taschenlampe so etwas wie Stacheldraht abzeichnete. Sollte das also mein gesuchter Ashram sein? Gegenüber das Gebäude, kaum größer als eine Hütte, war so gut wie unbeleuchtet. Lediglich aus einem verschlossenen Fenster drang etwas Licht. Trotzdem zog ich die Hütte dem stacheldrahtgeschützten Anwesen vor.
I’m coming for Sadhana Intensive
Mit einer Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung klopfte ich an die Tür. Als sie sich öffnete, spürte ich Erleichterung. Denn vor mir stand ein orange Gekleideter, also offensichtlich ein Swami. Mit seinem weißen Rauschebart, barfuß und in einfachem, abgetragenem Gewand, allein im Himalaya lebend – so stellte ich mir einen richtigen Yogi vor! Auf sein fragendes „Yeas, please“? antwortete ich: „Hello, I’m Martin, coming for Sadhana Intensive!“ (Ich bin Martin und komme, um intensive spirituelle Praxis zu absolvieren!) Ich wähnte mich am Ziel. Doch der verwundert fragende Gesichtsausdruck meines Gegenübers signalisierte Komplikationen. Trotzdem bat er mich herein … (die Fortsetzung findet ihr hier)