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Ursachen herbeisehen

#3 Mehr Hirn für (echte) Ursachen

Zu wissen, warum etwas passiert, ist von immensem Wert. Denn damit lässt sich die Qualität der eigenen Vorhersagen verbessern. Wenn man weiß, dass die dunklen Wolken Sturm bringen, kann man rechtzeitig die Ernte einbringen oder Schutz suchen. Vor zehntausend Jahren hing davon viel ab. Deswegen hat uns die Evolution geradezu süchtig danach gemacht, Ursachen zu suchen..   

Es gibt zehn Dinge über unser Gehirn, die jeder wissen sollte. Denn wenn wir besser verstehen, wer wir sind und wie wir funktionieren, können wir unser Leben eher zu unserer Zufriedenheit gestalten. Seinen eigenen Geist verstehen, heißt sich selbst erkennen!

Jedem der zehn Eigenschaften widme ich ein eigenen Beitrag. Sie sind durchnummeriert und beginnen alle mit den Worten Mehr Hirn. Manchen beziehen sich aufeinander, aber nicht alle. Man muss sie nicht unbedingt in der von mir gewählten Reihenfolge lesen, denn wenn ein Beitrag auf einen anderen Bezug nimmt, ist ein entsprechender Link vorhanden. Ein vollständige Liste der zehn Überschriften findest du im Beitrag Mehr Hirn bitte!

 

Ursachen sehen

Stellen Sie sich vor, Sie beobachten auf einem ansonsten schwarzen Bildschirm zwei Kreise, der eine blau, der andere rot. Plötzlich beginnt der rote Kreis, sich mit großer Geschwindigkeit auf den ruhenden blauen Kreis zuzubewegen. Kurz bevor der rote Kreis den blauen berührt, stoppt er. Gleichzeitig beginnt der blaue Kreis, sich mit derselben Geschwindigkeit und in dieselbe Richtung zu bewegen, wie zuvor der rote Kreis. Was sehen Sie? Mit ziemlicher Sicherheit „sehen“ Sie, dass der rote Kreis den blauen anstößt. Schauen Sie selbst.

Wir können uns kaum dagegen wehren, den „Stoß“ des roten Kreises nicht als „Ursache“ für die Bewegung des blauen zu interpretieren. Diesen Effekt hat Albert Michotte bereits in den fünfziger Jahren entdeckt. Was wie ein netter Party Gag daherkommt, hat es freilich in sich. Unser Gehirn ist eben süchtig danach, Ursachen zu entdecken.

 

Vom Aberglauben zum Forschergeist

Die „Sucht“ nach Ursachen ist offensichtlich ein Erbe der Evolution. Nach Ursachen Ausschau zu halten, erwies sich als so nützlich, dass die Evolution bei gelegentlichen Fehlern ein Auge zudrückte. Manchmal auch zwei. Jeder Aberglaube resultiert daraus, dass jemand meint gesehen zu haben, wie ein bestimmtes Ereignis etwas anderes nach sich zieht und daraus eine Regel für sein zukünftiges Verhalten ableitet. Kreuzt eine schwarze Katze den Weg, ist es Zeit umzudrehen.

So lächerlich uns viele dieser vermeintlichen Ursachen im Einzelnen erscheinen (komischerweise immer nur bei anderen), so nützlich ist der grundsätzliche Antrieb dahinter. Wir nennen das den Forschergeist. Er hat dazu geführt, dass wir Menschen uns heute über einem Sicherheitsnetz aus Berechenbarkeit bewegen, obwohl wir uns in einer von Natur aus unsicheren Welt befinden. Es ist das Ergebnis einer Entwicklung, die mit dem unbändigen Forschergeist begann und zur Wissenschaft wurde. Wissenschaft ist das systematische Überprüfen vermeintlicher Ursachen. Bestätigen sie sich, werden sie zu einem weiteren kleinen Baustein für unser Netz aus Berechenbarkeit.

Der Drang, Ursachen zu „sehen“, lebt in jedem von uns. Er ist tief verankert in unserem Geist. Dass er dabei gelegentlich übers Ziel hinausschießt, ist inzwischen eigentlich kein Problem mehr. Denn wir haben ja gelernt, Ursachen zu überprüfen. Dafür bedarf es keinesfalls immer der Wissenschaft, sehr wohl aber einer gewissen Selbstskepsis und Entschlossenheit. Also doch ein Problem? Eigentlich nicht, wenn man weiß, wie der eigene Geist funktioniert.

 

 

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