Was ein richtiger Yogi bewirken kann
Premanandas Freisein von Konventionen zeigte sich auch in der Offenheit meinen, manchmal ziemlich persönlichen Fragen gegenüber. Er gewährte mir immer bereitwillig Einblick in sein Leben, seine persönliche Geschichte und seine spirituelle Entwicklung. So ermutigt, wagte ich irgendwann, ihn auf besondere Fähigkeiten anzusprechen, die ein richtiger Yogi, so wie er, erwirbt. Jedenfalls behaupten das die Schriften. Siddhis, magische Fähigkeiten, so heißt es da, ergeben sich beim Yoga quasi als Nebenprodukt, zumindest bei ausreichender Disziplin und Selbstbeschränkung (Tapas). Was würde er mir dazu berichten?
Eigentlich sind das Tabuthemen. Kaum ein Inder wagt es, einen Swami nach diesen Dingen direkt zu befragen. Denn für einen Swami gibt es nur sein jetziges Leben – sich nach dem davor zu erkundigen, gilt als respektlos. Ebenso verhält es sich mit Fragen nach besonderen Fähigkeiten. Doch Premananda schienen meine Fragen weder verlegen zu machen, noch zu verärgern. Ganz im Gegenteil.
Magische Fähigkeiten
„Ich bin nur ein einfacher Mönch“, entschuldigte Premananda sich, „da gibt es nichts zu berichten“. Zuvor hatte ich jedoch anderes gehört und ließ nicht locker: „Aber die Leute erzählen sich, du könntest mit den Tieren sprechen?“ Wieder machte er eine Geste der Hilflosigkeit, so als wolle er sagen „was die Leute nicht alles erzählen“.
Verschmitzt lächelnd fuhr er fort: „Vor Jahren war ich von dem Ort hier an einen einsamen Platz hoch oben in den Bergen gezogen. Dort passierte es gelegentlich, dass ich nachts ein intensives Kratzen an der einfachen Brettertür meiner Hütte vernahm, begleitet vom offensichtlichen Fauchen einer Raubkatze. Solche Situationen waren durchaus gefährlich! In meiner Angst schlug ich von innen mit einem Knüppel gegen die Tür und rief immer wieder ‚hau ab!‘ Damit konnte ich das Tier letztendlich vertreiben. Irgendwie scheinen Geschichten wie diese zu den Bewohnern der Gegend vorgedrungen zu sein. Für sie freilich habe ich mit den Tieren
Ein Yogi findet seine Berufung
Ich habe den entlegenen Ort besucht, an den Premananda sich zurückgezogen hatte, um sich ganz seiner eigenen Praxis, seinem Sadhana, zu widmen. Bei uns in Österreich würde man den Ort, an den ich gelangte, wahrscheinlich als Alm bezeichnen. Hoch oben in den Bergen, auf einer größeren Lichtung, fand ich jene Hütte. Inzwischen war sie unbewohnt. Der weite Blick, bis hin zu ewig weißen Himalayagipfeln, überzeugt den Besucher auch heute noch vom Namen dieses Platzes: Aaeena Devi, was so viel bedeutet wie „Spiegel Gottes“.
Premanada kam immer wieder darauf zu sprechen, wie glücklich er an diesem Ort war. Er liebte die Einsamkeit und Stille über alles, ermöglichte sie es ihm doch, ganz bei sich selbst (Atman), oder eben bei Gott zu sein. Warum er denn dann zurückgekehrt sei, wollte ich wissen? Seine Erklärung war verblüffend. Mit der Zeit kamen mehr und mehr Besucher, die von ihm, dem Yogi, Rat oder einfach nur Segen wollten. Soweit stellte das noch kein wirkliches Problem dar. Doch musste er die Besucher auch verköstigen. Das war zeitintensiv, nicht nur wegen der Zubereitung, sondern vor allem wegen dem Herbeischaffen von Nahrungsmitteln. „Als am Ende immer weniger Zeit für meine eigene Praxis blieb, beschloss ich, die nach Rat suchenden Dorfbewohner als mein Schicksal, als meine Aufgabe anzunehmen. Anstatt, dass sie sie zu mir kamen, ging ich zu ihnen. Ich zog zurück.“
Wirkliche Wunder
Vor ein paar Jahren schrieb er mir, inzwischen per mail, dass ich mal wieder kommen sollte. Ich müsse unbedingt sehen, was für Wunder – wörtlich schrieb von magic – er bewirkt habe! Inzwischen kennen wir uns so gut, dass ich keine wirkliche Magie erwartete. Aber meine Neugierde war geweckt. Und das war wohl seine wirkliche Absicht. Premananda liebt hintergründigen Humor, Doppeldeutigkeiten und augenzwinkernde Verschmitztheit ebenso wie ich. Dies markiert schon lange den Grundton unseres fortlaufenden Kontakts. In jedem Fall hatte er meine Sehnsucht nach Indien angefacht. Ein halbes Jahr später machte ich mich erneut auf den Weg.
Nach meiner Ankunft, in einer ruhigen Minute, frage ich nach jenen Wundern, von denen er mir berichten wollte. Er lächelte vielsagend, lehnt sich zurück und sagte: „Schau dich um! All das, was hier entstanden ist, habe ich mir damals nicht mal im Traum vorgestellt. Es ist geschehen, ohne dass ich es beabsichtigt hätte. Das ist doch ein Wunder, oder?
Inzwischen hat sich in der Tat so manches verändert. Sichtbares Kennzeichen ist ein neuer, großer Ashram, dem der alte, im Grunde nur aus einem Raum bestehende, weichen musste. Nun ist Platz für eine große Zahl von Besuchern, oder Menschen, die auf ihrer spirituellen Reise Unterschlupf suchen. Daneben gibt es weitere, ebenfalls große Gebäude, die ein einfaches Krankenhaus mit Augenklinik beherbergen. Im Hof steht eine Art Krankenwagen, der bei uns in Österreich oder Deutschland zwar nie als solcher durchgehen würde, vor Ort aber durchaus seinen Zweck erfüllt. Darüber hinaus gibt es ein gut organisiertes Programm, mit dem die Ausbildung bedürftiger Jugendlicher ermöglicht wird. Seit diesem Jahr wird das tägliche stattfindende Lesen und interpretieren der Yoga Vasistha, (ein klassischer Text des Vedanta) live bei YouTube gestreamt!
Kurzum, sein Entschluss, die Unterstützung der lokalen Gemeinschaft als sein Schicksal, als seine Aufgabe anzunehmen, ist auch nach außen hin von Erfolg gekrönt.
Die Früchte des Yoga gibt es nur gegen eigene Anstrengung
Wenn die großen Wunder nicht magischen Ursprungs sind, bleibt am Ende nur das, was für gewöhnlich solche Dinge bewirkt: Geld. Doch woher kommt es? Von den Menschen, die inzwischen aus ganz Indien zu Premananda kommen. Sie verehren Premananda als großen Yogi, als Guru, den man in allen Lebenslagen zu Rate ziehen kann. Und so mancher der Verehrer und Ratsuchenden sieht in ihm einen „Verwirklichten“. Unter ihnen sind viele sehr wohlhabende Inder. Sie haben einen Trust gegründet, in den sie einzahlen. Ein gewähltes Gremium, unter Premanandas Vorsitz, das entscheidet, welche lokalen Projekt gefördert werden.
Trotz allem wäre es ein großes Missverständnis zu glauben, Premananda habe das alles mit einem Fingerschnippen, ohne große Anstrengung erreicht. Ich weiß, dass es Zeiten gab, wo er nachts vom Hunger geweckt wurde. Hunger, den er nur stillen konnte, indem er ein paar Blätter kaute. Das hat er mir selbst berichtet. Auch in meinen ersten Jahren bei ihm war das Essen noch karg, mit ziemlich wässrigen Dal, Gemüse gab es kaum. Das Geld für seine ersten Unterstützungsaktionen hat er geliehen. Er, der Besitzlose, musste damals mühsam Schulden abbezahlen. Und auch an seiner inneren Entwicklung hat er hart gearbeitet. Bei seinem Sadhana, allein in den Bergen, praktizierte er täglich sechs Stunden Atemübungen (Pranayama) bis ihm die Nase blutete und die Schädeldecke „glühte“. Auch das hatte er mir erzählt.
In den Zeiten, als ich länge bei ihm war, passierte zunächst oft, dass ich mich langweilte und fror. Bereits im November wird es ziemlich kalt, zumindest, ohne Heizung. Wenn es dann noch nichts weiter zu tun gibt, weil für das Essen gesorgt ist, aber kein Internet etwas Ablenkung ermöglicht, wird es schnell fad. Die Versuchung war also groß, Wanderungen zu unternehmen, den Basar der Stadt zu besuchen oder mit dem oder der Nächstbesten eine Plauderei zu beginnen. Hin und wieder schoss es mir dann in den Sinn: „Ich bin am richtigen Ort, bei einem richtigen Yogi, und für alles drumherum ist gesorgt. Aber in meinem Kopf ist noch nichts passiert, keine Erleuchtung, keine große Transformation. Warte ich wirklich darauf, dass Premananda durch Gedankenübertragung, Handauflegen oder ein geheimes Mantra für meine Erleuchtung sorgt?“ Mit solchen Gedanken wurde mir klar: es lag einzig an mir selbst. Ich musste meine Zeit nutzen, meditieren und an meinem Geist arbeiten. Täglich, immer wieder neu.
Ein Yogi entwickelt durchaus die Fähigkeit, etwas zu verändern, sei es bei sich selbst oder in der Welt. Aber das erfordert Arbeit, harte, mühevolle und lange Arbeit. Wer klar erkannt hat, was die eigene „Bestimmung“ ist und dann lange genug an seinem Vorhaben festhält, wird Dinge bewirken, die auf den ersten Blick als ein Wunder erscheinen.
Links zu Premanandas Ashram und seinem YouTube Kanal.
Um 10 Uhr unserer Zeit wird der tägliche Satsang übertragen, der einzig daraus besteht, dass Premanada einen kurzen Abschnitt aus der Yoga Vasistha liest, um diese dann ausführlich zu besprechen oder Fragen dazu zu beantworten. Letztlich mündet das in ausführliche Erläuterungen der Vedanta Philosophie. Er wechselt dabei nahtlos von typisch indischem Englisch zu Hindi und zurück. Das macht es ungeübten Ohren nicht leicht, allem zu folgen. Aber um seinen Sinn für Humor und seine Offenheit zu erleben, reicht es allemal.