Wie Yoga unser Selbst verändert
Yoga verspricht, unser Selbst zu verändern. Oft ist die Rede vom Weg zur Selbsterkenntnis. Doch wie funktioniert das? Und, welche der vielen Yoga Traditionen eignet sich dafür besonders? Eine schwierige Frage! Denn so vielgestaltig wie das Götter-Pantheon der alten Inder, so weitläufig präsentiert sich das Verständnis von Yoga – jedenfalls auf den ersten Blick. Und nicht nur in Indien begegnet uns eine schier unüberschaubare Zahl verschiedener Yogawege oder „Yogas“, auch in der westlichen Welt scheinen ständig neue Variationen aus dem Boden zu schießen. Angesichts dieser Vielfalt stellt sich die Frage, ob es so etwas wie ein gemeinsames Kennzeichen oder Ziel aller Yogawege gibt?
Yoga ist Arbeit an sich selbst
Von seiner Sanskrit-Sprachwurzel her bedeutet das Wort yoga so viel wie: fest zusammenhalten, anschirren, ins Joch spannen. Nach Mircea Eliade, dem großen Religionswissenschaftler, bezeichnet yoga ganz allgemein jede Askesetechnik (also sich selbst ins Joch spannen), im weitesten Sinn aber auch jede Art der Meditation! Zusätzlich verweisen manche Gelehrte auf die mögliche Übersetzung von yoga mit Vereinigung oder Verbindung. Das kennzeichnet yoga als eine Technik oder Vorgehensweise, die den Einzelnen mit dem Göttlichen verbindet. Heute sollten wir hier vielleicht besser von einer speziellen Selbstdisziplin sprechen, mit dem Ziel eine Perspektive zu gewinnen, die über den eigenen, eingeschränkten Horizont hinausreicht.
Darüber hinaus steht Yoga auch noch für eine ganz bestimmte, traditionelle indische Denkrichtung oder Philosophie. Diese entwirft ein umfassendes Konzept des menschlichen Geistes, seiner Eigenschaften und seiner Veränderungsmöglichkeiten. Begründet wurde dieses Konzept von Patañjali mit seinem Yoga-Sūtra. Hier wird gleich zu Beginn das entscheidende Ziel des gesamten Weges genannt: den Geist zur Ruhe zu bringen (citta vṛtti nirodhaḥ) und so, im Einklang mit sich selbst, zu seinem wahren Selbst zu finden (draṣṭuḥ svarūpe‚vasthānaṃ).
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Um seinen Geist zur Ruhe zu bringen, muss man ihn zunächst einmal kennenlernen. Schon das ist anstrengende Arbeit. Denn auf die Frage wer ich bin, erhalten wir bisweilen Antworten, die wir eigentlich nicht wollten. Die Arbeit geht weiter, wenn wir erkennen, dass wir unser „kleines Ich“ aufgeben, oder besser hintenanstellen müssen, um unser wahres Selbst zu verwirklichen. Das muss man gar nicht als metaphysischen Akt verklären, sondern kann darin schlicht eine Orientierung an gemeinschaftlichen Interessen verstehen, ohne ständig die eigenen Wünsche an erste Stelle zu rücken.
Yoga und Selbstdisziplin
Ich orientiere mich an den zentralen Ideen der alten Yogis zur Persönlichkeitsentwicklung. Dem versuche ich in meiner Körper- und Achtsamkeitsarbeit gerecht zu werden, auch wenn das an der einen oder andere Stelle ganz unorthodoxe Formen annimmt.
Yoga scheint in jedem Fall etwas mit (Selbst)Disziplin zu tun zu haben, aber auch mit Selbsttranszendenz, bzw. der Ausrichtung auf ein, die eigene Persönlichkeit übersteigendes Dasein. Sinngemäß könnte man also davon sprechen, dass es hier um die systematische Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit geht. Ein solches Unterfangen beinhaltet eine gewisse Disziplin, ein System (Konzept, Regelwerk, Anleitung etc.) und die Bereitschaft, über die persönlichen Interessen hinauszublicken bzw. diese zu übersteigen (transzendieren). Die Frage „Wer bin ich?“, führt also zu unerwarteten oder sogar herausfordernden Antworten. Die auszuhalten, gehört dazu!
In diesem Sinn kann es viele, letztlich sogar unendlich viele Vorgehensweisen geben, die als Yoga im Sinne eines bestimmten Weges (deshalb Yoga großgeschrieben) bezeichnet werden dürfen.
Oder anders gesagt, jeder, der mit Disziplin und System nach persönlicher Entwicklung oder Selbsttranszendenz strebt, praktiziert Yoga.
Hatha-Yoga – Körperübungen die den Geist verändern
Einer dieser vielen Yogawege ist der Weg der Atem- und Körperübungen, also Hatha-Yoga. Hierbei steht die Beschäftigung mit der Atmung und dem Körper selbstverständlich im Dienst des von Pantanjali formulierten Ziels. Also handelt es sich um Körperübungen, die darauf abzielen, den eigenen Geist zu verändern. Obwohl die Yoga-Sutras von Patanjali spätestens im 2. Jahrhundert vorgelegen haben dürften, lieferte erst im 15. Jahrhundert ein gewisser Swami Swatmarana mit der Hatha-Yoga-Pradipika eine systematische Zusammenstellung von Körper- und Atemübungen. Auch wenn Swatmarana dabei auf vedisches, längst vorhandenes Quellenmaterial zurückgegriffen haben dürfte, entstand erst durch seine Arbeit eine ausführliche „Übungsanleitung“, die sich allein mit dem Körper und der Atmung beschäftigte.
Die richtige Yogastellung
Neben der Hatha-Yoga-Pradipika finden wir ähnliche „Übungsanleitungen“ in der Shiva-Samhita und der Gheranda-Samhita. Die Beschreibungen, wie die jeweiligen Stellungen ausgeführt werden sollen, sind äußerst dürftig, bestehen oft nur in einem einzigen kurzen Satz. Bei der Frage, wann eine Stellung „richtig“ ist, erhalten wir hier also keine Antwort. Man könnte auch sagen, es ist gar nicht festgelegt, und jede Art der Ausführung ist in Ordnung, solange sie der Gesundheit nicht schadet und der persönlichen Weiterentwicklung im Sinn der Yoga-Sutras dient. Vor diesem Hintergrund halte ich es für gerechtfertigt, die Feldenkrais-Methode in meiner Praxis einzusetzen, genauer: ein feldenkrais-basiertes Vorgehen in der Yogapraxis. Da dieses Vorgehen die Achtsamkeit fördert, unterstützt das nicht nur eine sichere Ausführung der Yogastellung, sondern auch das eigentliche Ziel des Yoga.